kuenstliches Blut
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David V.  

Künstliches Blut aus Japan – Medizinischer Durchbruch

Die Zukunft der Notfallmedizin nimmt in einem unscheinbaren Labor der Nara Medical University in Japan Gestalt an. Dort entwickeln Wissenschaftler um Professor Hiromi Sakai ein revolutionäres künstliches Blut, das alle Blutgruppen verträgt, zwei Jahre bei Raumtemperatur haltbar ist und bereits erste klinische Tests erfolgreich absolviert hat. Diese bahnbrechende Innovation könnte schon bald das globale Gesundheitswesen transformieren und unzählige Leben retten.

Die Antwort auf Japans demografische Krise

Japans alternde Gesellschaft steht vor einer kritischen Herausforderung: Mehr als 29,9 Prozent der Bevölkerung sind über 65 Jahre alt – der höchste Wert weltweit. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Blutspender dramatisch. Die Spenden von Menschen unter 40 Jahren sind in den vergangenen zehn Jahren um 33 Prozent zurückgegangen.

Während die Blutvorräte schrumpfen, steigt der Bedarf, denn ältere Patienten benötigen überdurchschnittlich viele Transfusionen. Zudem verarbeiten japanische Kliniken jährlich nur etwa 5,01 Millionen Blutspenden, wovon der Großteil für die Behandlung von Patienten über 50 Jahre verwendet wird.

Die Technologie hinter der Revolution

Das künstliche Blut basiert auf sogenannten Hämoglobin-Vesikeln (HbV) – winzigen Kapseln, die das sauerstofftragende Protein Hämoglobin aus abgelaufenem Spenderblut enthalten. Professor Sakai und sein Team extrahieren das Hämoglobin und ummanteln es mit einer schützenden Lipidmembran, wodurch virusfreie, künstliche rote Blutkörperchen entstehen. Diese violett schimmernden Zellen haben keine Blutgruppenmerkmale und können daher universell eingesetzt werden, ohne vorherige Kompatibilitätstests.

Der entscheidende Durchbruch gelang durch eine neue Knettechnik mit einem Rotation-Revolution-Mixer, die eine Einkapselungseffizienz von etwa 70 Prozent erreicht – ein gewaltiger Fortschritt gegenüber früheren Methoden mit nur 20 Prozent Effizienz.

Die entstehenden Hämoglobin-Vesikel können bei Raumtemperatur zwei Jahre und gekühlt sogar fünf Jahre gelagert werden – ein enormer Vorteil gegenüber gespendeten Erythrozyten, die maximal 42 Tage haltbar sind.

Erste klinische Erfolge ebnen den Weg

Die Phase-I-Studie (2020-2022) markierte einen historischen Meilenstein. Zwölf gesunde männliche Probanden erhielten Dosen von 10, 50 und 100 Millilitern künstlichen Bluts. Die Ergebnisse waren ermutigend: Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen, lediglich milde Reaktionen wie Fieber oder Hautausschlag, die schnell ohne Medikation abklangen. Das künstliche Blut zirkulierte mit einer Halbwertszeit von etwa acht Stunden im Blutkreislauf.

Besonders bedeutsam: Keine Blutdruckerhöhung wurde beobachtet – ein kritischer Unterschied zu früheren Hämoglobin-basierten Blutersatzstoffen, die das Risiko von Herzinfarkten erhöhten.

Im März 2025 starteten erweiterte Studien mit 16 Freiwilligen, die 100 bis 400 Milliliter erhielten. Bei positiven Ergebnissen strebt das Team eine praktische Anwendung bis 2030 an.

Globale Bedeutung und vielseitige Anwendungen

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass 119 von 195 Ländern nicht genügend Blut für ihren medizinischen Bedarf haben. Der globale Mangel beträgt etwa 30 Millionen Einheiten jährlich. Künstliches Blut könnte diese Lücke schließen, besonders in entlegenen Gebieten, Katastrophenzonen und Kriegsgebieten, wo Kühlung und Blutgruppenbestimmung problematisch sind.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: von der Notfallmedizin über Operationen bis hin zur Geburtshilfe.

Professor Teruyuki Komatsu von der Chuo University ergänzt die Forschung mit künstlichen Sauerstoffträgern auf Albumin-Basis, die bei Schlaganfällen und Blutungen helfen könnten. Diese Ansätze zeigen das breite Spektrum der japanischen Blutersatz-Forschung.

Chancen und Herausforderungen

Das künstliche Blut bietet immense Chancen: universelle Kompatibilität, lange Haltbarkeit, Virusfreiheit und sofortige Verfügbarkeit. Dennoch bestehen Risiken: Freies Hämoglobin kann Nieren- und Gefäßschäden verursachen. Deshalb ist die Lipid-Einkapselung entscheidend für die Sicherheit.

Die Empfehlung für Gesundheitssysteme weltweit lautet: Vorbereitung auf diese Technologie durch Anpassung von Infrastrukturen und Ausbildung von Fachkräften. Gleichzeitig müssen traditionelle Blutspendeprogramme weiterhin gefördert werden, da künstliches Blut zunächst als Ergänzung, nicht als Ersatz dienen wird.

Fazit

Japans künstliches Blut könnte die Notfallmedizin revolutionieren und Millionen Leben retten, besonders in unterversorgten Gebieten. Der Durchbruch steht exemplarisch für Japans Innovationskraft.

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